Karsamstag

Wenn die Mitte fehlt

Reinhold Schneider erzählte in seiner Novelle „Die Schächer ohne den Herrn“, wie 1566 bei einem Aufruhr in Flandern Heiligtümer geschändet wurden. Über Nacht schien das Heilige entweiht. Die Aufständischen vergriffen sich schließlich an einer lebensgroßen Kreuzigungsgruppe. Sie ließen die Kreuze der Schächer stehen, stürzten aber das Kreuz Jesu in der Mitte um. Sie zerschlugen das Bild des Erlösers „und schonten die Bilder der Schächer, in denen sie Abbilder ihres eigenen Wesens sehen mochten…Die Schächer ohne den Herrn. Eine furchtbare Lücke klaffte zwischen den beiden Kreuzen; nun war auch der Reumütige verloren, dem der Herr das Paradies verheißen hatte; denn der Herr, der ihn dahin führen wollte, war ihm entrissen. Und in welcher Verlorenheit stand das Kreuz des Lästerers! Der Mittler war verschwunden die Mitte war leer…“

Ohne Mitte verliert sich alles im Nichts. Es ist die wahre Hölle, wenn der Hilfeschrei in letzter Not kein Echo findet, wenn das Antlitz der Zuwendung Gottes verschwindet. Der Gekreuzigte – so bekennen wir – ist“ hinabgestiegen in das Reich des Todes“, um die Menschen heimzuholen in das Leben Gottes – auch die Schächer.

Franz Kamphaus, Gott ist kein Nostalgiker, S. 78