Wahrer Glaube kommt von innen

Am Vorabend ihres 1.250-jährigen Gründungsjubiläums
wird die Benediktinerabtei Metten von Grund auf renoviert –
und sendet damit eine Botschaft zur geistigen Erneuerung

Im Kloster Metten geht es zur Sache: Bröselnder Putz wird abgeschlagen, Tiefgrund wird aufgetragen, Schutt weggekarrt, Dachpfannen werden ersetzt, Spengler verarbeiten Kupferdachrinnen, Maler tragen frische Farbe auf. Nahezu jeder in Metten dürfte die Gerüste an Mauern und Dach des Klosters bemerkt haben. Das emsige Treiben geschieht aus gutem Grund: Im Jahr 2016 begeht die Benediktinerabtei Metten ihr 1.250-jähriges Gründungsjubiläum.

Das Kloster wird auf Hochglanz gebracht. Mauern haben einen Sanierputz erhalten, Dachgauben wurden erneuert, alte Fenster ersetzt. Die Fassade wird teilweise verputzt und mit neuem Anstrich versehen. Seit vielen Monaten wird auch die Inneneinrichtung der Klosterkirche restauriert, nachdem der Zahn der Zeit Gemälde und Skulpturen ihres ursprünglichen Glanzes beraubt hat. In der Kirche wird gebürstet, geschliffen und mit Sand gestrahlt, daß es eine Freude ist – Endspurt der äußeren Reinigung.

Alles schön, alles neu – alles gut? Wie ist das mit der Wertebewahrung heiliger Bausubstanz? Warum beeindruckt uns heute, wo viele Dinge neu geschaffen werden und als Eintagsfliegen vergehen, besonders das Alte, das Unaufgeregte, das Ewige? Und wenn wir voller Ehrfurcht vom Anblick des Klosters gebannt sind, wie kann es dann gelingen, daß wir etwas von der Freude am Prozeß der reinigenden Erneuerung auf die eigene Seele übertragen? Vielleicht hat das Kloster Metten über die äußere Renovierung hinaus den Gläubigen doch mehr zu sagen, als man auf den ersten Blick annimmt.

Faszination der Erneuerung

Es dreht sich bei der geistigen Erneuerung nicht wirklich um Neues, so wie unsere vorüberziehende Zeit Neues versteht. Mit dem Vorsatz, „Hauptsache nicht alt“, werden heute alle möglichen Ideen von einem überschäumenden Freiheitsdrang in die Welt gesetzt. Dabei verschieben sich Grenzen und man erfreut sich an Dingen, die man noch vor Jahrzehnten für unmöglich oder für unanständig gehalten hätte. Eine ganze Kultur träumt von Maßlosigkeit und ewiger Jugend. Berlin zum Beispiel, ist stolz darauf, „sich immer wieder neu zu erfinden“. Was immer das bedeutet.

Neu wird heute mit einem typischen Etikett versehen, das als Markenzeichen einer informations- und mobilitätsverliebten Ära gilt. Neu meint stets, die Dinge würden leichter als zuvor, in der Hauptsache anders, entspannter, von höherer Lebensqualität getragen. Nicht Wenigen verhilft eine neue Spiritualität sogar zu einer buddhistischen Verbeugung vor der Schöpfung, indem man alles und nichts an sich heranläßt, so, als befinde man sich mitten in München auf der Matte im tibetischen Hochland, über das der Wind des Werdens und Vergehens streift. Wer in der westlichen Kultur viel Zeit hat, rühmt sich seiner intellektuellen Achtsamkeit, wendet sich in der Meditation kopfschüttelnd ab vom Elend unserer Tage.

Um das Neue in dem Sinne einer unbeschwerten Weltsicht, aus der abgehobenen globalen Nabelschau der Reichen und Schönen, derer, denen alles gelingt, soll es uns bei der folgenden Betrachtung nicht gehen, denn es heißt im Johannesbrief: „Traut nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“ (I. Johannes 4,1).

Im Buch Kohelet findet sich eine weitere Mahnung: „Nie wird ein Auge satt, wenn es beobachtet, nie wird ein Ohr vom Hören voll … Zwar gibt es bisweilen ein Ding, von dem es heißt: Sieh dir das an, das ist etwas Neues – aber auch das gab es schon in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.“ Und Kohelet schließt mit der Erkenntnis: „ Das alles ist Windhauch und Luftgespinst. Es gibt keinen Vorteil unter der Sonne“. (Kohelet 1, 8-10; 2,11). Es geht also strenggenommen nicht um Neues; es geht um das Ewige. Das Eigentliche, dessen Unergründlichkeit im einfachen Leben bestaunt, vom wissensdurstigen Relativierer hinterfragt wird.

Die wahre Erneuerung, um die wir uns bemühen sollten, kommt von innen. Es gilt heute als schick, die „Seele baumeln“ zu lassen. Gemeinhin bedeutet dies, erst einmal nichts zu tun, um den Streß abzubauen, der durch vielfältiges Begehren entsteht. Aber wie steht es wirklich um unsere Seele? Zu Zeiten gewinnt man den Eindruck, es komme nur darauf an, vorübergehend Ruhe zu finden, damit man für die unersättliche Gier nach Leben neue Energie schöpfen kann. Das klingt nach Erneuerung als Atempause im globalen Gerangel um Macht, Gewinn und Eitelkeit.

Die Welt mit den Augen unseres Herrn Jesus Christus zu sehen, bedeutet, mit wahrer Hingabe geschehen zu lassen, was Gott mit uns vorhat. Es ist leider en vogue, selbst zu bestimmen, wo es lang geht, für uns selbst und womöglich für andere. Die Willensanstrengungen, die dafür unternommen werden, sind enorm. Man verschwendet viel Geld, Zeit und Nerven, um bloß nicht das eigene Schicksal in Gottes Hand zu legen. Selbstbestimmt will man heute sein, aufgeklärt sind wir schon lange, unabhängig denken tun wir sowieso. Dabei liegt unser Leben schon immer in Gottes Hand. Und zwar nur dort. Die Illusion, uns neu zu erfinden, folgt einem Streich des Ego, das meint, auf Erden Vorteile zu ergattern. Alles liegt in Gottes Hand. Und genau dort werden wir auch wieder aufgefangen, nämlich dann, wenn wir mit der verkrampften Willensanstrengung des Ego in eine Sackgasse geraten sind.

Die liebende, barmherzige Gnade des Herrn ist immer in uns. Wir spüren das im Gebet. Trauen wir uns überhaupt noch, Sorgen und Nöte frei auszusprechen? Sie im Gebet vor Gott zu bringen? In unserer Sündhaftigkeit vor den Herrn zu treten? Wir alle könnten sozusagen ein Lied von der Klage singen: „Du, Herr, führst meine Sache und erlöst mein Leben“ (Klagelieder 3, 58). Es ist die Sattheit, die uns den Zugang zum Gebet verwehrt.

Selbstverständlich können wir den Schalter einfach umlegen: Gott an – Gott aus. Viele haben dies schon getan, indem sie, vom Glanz der Nabelschau geblendet, aus der Kirche ausgetreten sind, entweder aus naivem Trotz oder aus kaufmännischem Geiz. So sehen Siege des willensgesteuerten Ichs aus. Das Ego braucht Gott und seine Kirche nicht. Jesus Christus wird zu einer historischen Figur, die nicht kam, um den Menschen die unerschöpfliche Liebe zu bringen.

Das mit der Liebe ist gar nicht so einfach. Sie setzt tägliche Anstrengung, Überwindung, ja Disziplin voraus, damit wir anderen unsere Liebe zeigen können. Gottes barmherzige Liebe durchflutet uns dagegen bis in die Ewigkeit. Um sie zu erkennen, braucht es Hingabe und Verzicht. Warum sollte man sich anstrengen, wenn Gott ohnehin alle Menschen liebt? Wenn er sowieso in uns Heimat genommen hat und uns auffängt? Warum sollte man durch Verzicht zu einem neuen Menschen reifen, wenn man das neue Leben um so vieles einfacher und schneller haben kann, gerade in unserer Zeit, die mit digitaler Vernetzung, Kommunikationsreichtum und weltumspannender Mobilität gesegnet ist, wie keine andere vor ihr?

Wir sprühen vor Lebensfreude, weil wir unbegrenzte Möglichkeiten haben, um uns mit anderen Kulturen auszutauschen, weil wir anderen religiösen Werten begegnen, gegenseitige Toleranz üben, zu einer liebenden Weltgemeinschaft zusammenwachsen. Die Kulturen der Südhalbkugel erleben ja selbst gerade einen schmerzhaften Häutungsprozeß, der sie vom einfältigen frommen Leben zu aufgeklärter Selbstbestimmtheit führen wird. Die radikale islamistische Gegenströmung im mittleren Osten und in vielen Ländern Afrikas beweist ja gerade, daß mittelalterliche religiöse Werte schwinden und durch aufgeklärte Selbstbestimmung ersetzt werden.

Der postmoderne westliche Geist, der ewiges Wachstum, Jugend, Gesundheit und den Anspruch auf persönliches Glück predigt, ist über die westliche Hemisphäre in die Zelte der Sahara, in die Oasen um Euphrat und Tigris bis in die letzte mongolische Jurte eingesickert. Das ist der Grund für den Zorn der Fundamentalisten. Sie wollen das Blatt noch einmal wenden, für Allah, der mit den Standhaften ist.

Überall wütet der menschliche Wille. Das Ego feiert einen Sieg nach dem anderen, im Westen wie im Osten, im Norden wie im Süden. Das ist ein günstiger Moment, um den Faden der geistigen Erneuerung wieder aufzunehmen, um die wir uns bemühen. Vielleicht sollten wir Gott und die Welt anders sehen, eben neu: Das Ego ist nicht der Erlöser. Das Ego kann gar nicht der Erlöser sein, weil es nur einen Erlöser gibt – unseren Herrn Jesus Christus. Der Mensch als Kind Gottes vermag nicht andere Menschen zu erlösen. Es ist vielmehr der unerschöpflichen, für den Verstand unbegreiflichen Kraft des Herrn vorbehalten, seinem reinen Herzen, seiner reinen Seele. Auf Ihn, der gar nicht sündigen kann, weil er ausnahmslos den Willen des Vaters tut, müssen wir bauen. Die Erlösung, nach der wir verlangen, suchen wir oft durch allerlei Ablenkung zu erreichen. Viele nennen dies Lebensqualität. In Wahrheit ist es eine einzige Plage. Es wäre nun an der Zeit, den Begriff „Neu“ vollkommen anders aufzufassen, nämlich im Sinne einer täglichen Erneuerung unseres Glaubens, der aus tiefster Seele sprudelt.

Das Gebet macht alles neu

Jesus sprach zu seinen Jüngern: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen (Johannes 15, 4-5).“
Mit diesen Worten ist das Entscheidende gesagt, vor dem sich der vorübereilende Zeitgeist drückt: Wir müssen wieder lernen, Jesus Christus zu lieben, oder, wie Abt Wolfgang Hagl betont, wir sollten „der Liebe zu Jesus Christus nichts vorziehen“. Damit berühren wir den Kerngedanken der benediktinischen Regel.

Das Problem ist doch Folgendes: Der begehrende Mensch sehnt sich nach dem einfachen Leben in der einfachen Wahrheit und gerade dafür gestaltet er sein eigenes Schicksal so kompliziert, so schwer, so unüberschaubar, wie in keinem Zeitalter zuvor. Das Abendland wird nicht vom Gotteswahn, sondern vom Jugendwahn bedroht. Nicht das Mühen um Demut macht die Menschen kaputt, sondern der Tanz um goldene Kälber die täglich neu erfunden werden. In der Vorstellung des lebenssatten, gierigen Menschen wird Jesus Christus zum austauschbaren Wanderprediger, wie es zu allen Zeiten viele gab und auch künftig geben wird.

Der Schlüssel zu Jesus Christus liegt in der Erneuerung unseres Glaubens. Jesus Christus hat die Kirche geschaffen, um der inneren Erneuerung jedes Christen durch das Gebet eine Mutter zu geben; ein Dach, unter dem sich die Wirkkraft der Sakramente vervielfacht. Und doch führt der Weg der Kirche in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Das mit meinem Gott? Das kriege ich schon hin. Irgendwie, irgendwann. In der Kirche liegt der Schlüssel zur Gemeinschaft der Gläubigen. Vielleicht sollten wir erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren, bevor wir mit überzogenen Heilsabsichten durch die Welt streifen.

Vielleicht muß man auch über neue Literatur nachdenken. Über die alte neue, natürlich. Wie soll man den einfachen Weg, den Gottes Liebe zu uns nimmt, erkennen, wenn man die Heilige Schrift nicht liest? Unsere Priester, die „Künder des Wortes und Diener unserer Freude“ (Benedikt XVI), brauchen schon ein wenig Unterstützung, wenn das wahre Wort tatsächlich immer wieder neu Eingang in die Seele finden soll. Dazu genügt es nicht, die Seele einfach baumeln zu lassen. Einfach zu leben, ausgerichtet auf das Ewige, heißt, auf Jesus Christus zu vertrauen. Wie schwer fällt uns das heute, wo Medien gerne relativieren. Wo man überall liest, daß man eigentlich keinem mehr so richtig trauen kann, außer sich selbst. Wo es nichts Höheres zu geben scheint, als das eigene Wohlergehen. „Lest die Bibel!“ möchte man ausrufen. Einfach hinsetzten, innehalten und staunen. Das ist so einfach, daß es heute kaum noch jemand vermag: „Diese meine Worte sollt ihr auf euer Herz und auf eure Seele schreiben“ (Deuteronomium 11, 18).

Wo werden wir heute noch an die letzte Wahrheit herangeführt? Gehört dazu nicht auch, daß man sich immer wieder von neuem auf die Suche nach Gott macht? Jesus antwortete dem Pharisäer Nikodemus: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Johannes 3,3). Zur inneren geistigen Erneuerung gehört auch, das Sehen zu verändern. Es kann ein Mensch noch so gelehrt sein: Wenn sein inneres Auge nicht klar sehen kann, nutzt ihm all seine Gelehrsamkeit und Weisheit nichts. Damit uns das innere Licht aufgeht und einleuchtet, sind Demut und Hingabe im Gebet unverzichtbar. Neid, Zorn, Mißgunst, Gier und Zügellosigkeit blenden die Augen des Herzens.

Was kann man sonst noch tun? Matthäus fordert uns auf, „wie die Kinder zu sein“ (Matthäus 18, 3). Mitunter hat man den Eindruck, unsere Kultur komme diesem Bild des kindlichen Verhaltens durchaus gleich: Allerdings in einem entfremdeten Sinn, nämlich in der unermeßlichen Gier nach Aufmerksamkeit, nach Leben ohne Verantwortung. Das hat Matthäus nicht gemeint. Er wollte dazu anregen, das Staunen wieder zu entdecken. Auch dies bereitet uns offenbar Schwierigkeiten. Es fällt schwer, das von Gott Geschaffene ohne Bewertung demütig hinzunehmen. Vielleicht liegt dies daran, daß man allenfalls ein Arrangement mit Gott trifft, eines der berechnenden Art. Ich bete zu Dir, Gott, dafür beschützt Du mich. Ist das nicht Beten aus Selbstliebe? Wenn das Gebet nicht aus lodernder Liebe zum Herrn entsteht, wenn es nicht die Hingabe einschließt, wenn es nicht das uneingeschränkte, mit keinem Wort und keinem Gedanken relativierte Ja-Sagen zu Gott ist, was uns treibt, was ist es dann? Doch wohl eher Berechnung. Ein Handel mit Gott auf der Suche nach dem eigenen Vorteil.

Manchmal wirkt das Beten wie tot. Wenn es überhaupt geschieht. Man sagt das „Vaterunser“ so daher und man ist froh, wenn der Nachbar im Gottesdienst den Text kennt. Erneuerung heißt, Bekehrung, lebt vom Erwachen, vom Glühen des Herzens. Wenn wir die Erneuerung richtig deuten, verstehen wir die Leidenschaft, mit der die Bildhauer, Maler und Stuckateure sich der grenzenlosen Liebe zu Gott hingegeben haben.

Wir tun uns schwer damit, die Seele zu verstehen. Sie liest keine Zeitung und interessiert sich nicht für politische Machtpoker. Sie will einzig und allein Gott schauen. Das Gebet, welches das Tor zum Ewigen aufschließt, ist ihr Begehr. Die Neuausrichtung auf die Liebe Gottes erfordert ein Mindestmaß an Reinheit des Herzens. Voller Sehnsucht blicken wir auf den symbolischen Erneuerungsprozeß, der an der Fassade und im Innenleben der Klosterkirche in Metten voranschreitet. So etwas würde uns auch gut tun, denken wir. Man müßte die verkrusteten Schichten der Selbstliebe abschrubben. Dazu bräuchte man wenigstens die grobe Seite eines Schwammes. In widerspenstigen Ecken des Sündigen käme man auch damit nicht weiter. Da bliebe nur der Hochdruckreiniger, als ultima ratio. Dieses wertvolle Reinigungsinstrument tragen wir in uns. Es macht keinen Lärm und braucht keinen Strom. Es braucht nur den freien Fluß der Liebe.

Die Engel und Heiligen, die sehnsüchtig gefalteten Hände, die nach der Liebe zu Gott dürstenden Figuren in der Klosterkirche, die himmelwärts gerichteten barocken Ornamente und Schnörkel, sie alle glänzen bald neu. Der fromme Ausdruck in den Gesichtern fällt aus der Zeit. Er sagt uns heute etwas, das weit über eintausend Jahre zurückliegt und uns dennoch so unmittelbar berührt, als ahnten wir, wie groß die weltlichen Irrtümer waren und bleiben. Barocke Heiligenfiguren sind in Stuck gegossene Aufforderungen zum Gebet. Die Restauratoren möchten das ewig Fromme erhalten, weil darin die Liebe zum Ausdruck kommt, in diesen Formen künstlerischer Gestaltung, vor denen man schweigend steht und weiß: Das Gebet macht alles neu. Wir müssen wieder lernen, zu beten.

Arm sein vor Gott

Jesus sprach zu seinen Jüngern: „Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,13-14). Er meint damit: Wenn ihr arm vor Gott seid, wenn ihr barmherzig seid, wenn ihr ein reines Herz habt, wenn ihr Frieden stiftet… dann seid ihr das Salz der Erde und das Licht der Welt!
Die geistige Erneuerung zielt darauf ab, die Dinge geschehen zu lassen, weil wir der Liebe vertrauen. Sie kommt unspektakulär daher und sie ist einfach, so simpel, daß man es kaum glauben kann, wo man doch in der Welt gewohnt ist, zu kämpfen, mit Einfallsreichtum zu überleben, mit Härte, Intelligenz und Durchhaltevermögen Wachstum zu schaffen und für Maximierung des Gewinns zu sorgen. Matthäus sagt uns, daß wir mit dem Gewinn daneben liegen: „Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Matthäus, 10, 39).

Es gibt Pillen für die natürliche Schönheit, die angeblich von innen kommen soll. Woher aber kommt unser Glaube? Vom Wissen? Erlangen wir ihn etwa durch Gier oder Maßlosigkeit? Kann man den Seelenfrieden im Internet online bestellen und wieder zurücksenden, falls er nichts taugt? Oder liegen die Urgründe des Ewigen nicht doch in uns selbst verborgen? Wie kann man Jesus Christus erkennen und mit ihm eins werden, wenn nicht durch demütige Hingabe?

Hingabe? Geschehen lassen? Die passive Rolle verträgt sich mit vorwärtsdrängenden Freiheitsgedanken offenbar gar nicht. Das Neue muß immer eine Sensation beinhalten. Sogar der Wetterbericht wird als Kasperltheater vorgetragen. Das ist die Tragik. Alle Tage besteht unser Geschäft aus zwanghafter Erneuerung. Das macht oberflächlich, treibt uns in Sorge und Ärger und selbst in der Nacht kommt unser Geist nicht zur Ruhe. Wir sollten daher, den Staub dieser Gewohnheit abstreifend, erkennen, daß wir arm werden müssen vor Gott: „Selig sind die Armen im Geist, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Matthäus 5,3).

Dieses arm sein würde Bekehrung voraussetzen, eine echte Wende im Leben. Gott kann jeden Tag in unser Leben eintreten, wenn wir das wollen. Ist Gott überhaupt noch eine neue Kategorie für uns, mit der wir ernsthaft rechnen? Haben wir wirklich nichts anderes mehr im Sinn als das Scheinen?

Die für uns greifbare Umgebung gestalten wir recht gerne. Dabei räumen wir der Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Geschehen viel Platz ein. Das ist gut und richtig, denn es führt die Menschen zusammen, damit weltliche Probleme angepackt und gelöst werden.

Und was ist mit Gott? Haben wir ihn vergessen? Wie manche Eltern vor lauter Zerstreuung ihre Kinder an der Tankstelle vergessen? Viele schubsen in den täglichen Umtrieben Gott über den Rand ihres Horizonts in den Abgrund. Scheinbar ist er dann weg. Um Reinheit sind trotzdem viele bemüht. Samstags wird das Auto gewaschen und gesaugt, ein Ritual der Reinigung, für ein quasi heiliges Gut. Der Drang zur Reinheit ist vorhanden, allein es fehlt die Kraft des Weglassens. Wie groß muß die Angst vor dem Einfachen sein, wie bange ist vielen vor der Wahrheit, daß wir arm sein sollten vor Gott?

Daß geistige Neuausrichtung auch mit Entsorgung von Altlasten zu tun hat, kann man auf einem Wertstoffhof beobachten. Zwischen aufgeklappten Containern sieht man glückliche Gesichter, die sich allen Unrats entledigen. Trenne dich vom Müll und Du wirfst deine Sünden fort – so etwa lautet die schlichte Formel im Entsorgungsparadies. Doch es erfüllt die Seele kaum mit Zuversicht, wenn sie nur Stunden später abermals im Überfluß der Maßlosigkeit versinkt.

Allein durch Christus sind wir fähig, „den alten Menschen in uns abzulegen, um zu einem neuen Menschen zu werden, der nach dem Bild des Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen“ (Kolosser 3,10). Das ist die Botschaft am Vorabend des großen Gründungsjubiläums in Metten.

Kehren wir noch einmal zurück zur Kirche. Die Kirche ist jung. Sie wird die Sintflut digitaler Kommunikation überleben und zur globalen Erneuerung der Liebe beitragen. Das Christentum ist eben nicht eine von Menschen hervorgebrachte Kulturerscheinung, die wie alles irdisch Geschaffene der Vergänglichkeit unterworfen ist. Das Gesicht der Erde, durch das Böse entstellt, wird hell durch das immer neue Licht der Wahrheit und durch die wärmende Liebe des heiligen Geistes. Diesen Geist der Wahrheit und der Liebe empfangen wir täglich neu – wenn wir uns darauf einlassen und arm vor Gott sind, also unsere eigenen Gedanken und Vorstellungen nicht überhöhen.

Solange man ziellos im finsteren Materialismus umherirrt und die süßen Gewohnheiten der Selbstliebe nicht ablegt, bleibt das wahre Leben unter maroden Ablagerungen verborgen. Doch die uns von Gott zuströmende lichtvolle Gnade bewegt die dunklen Schatten in unserem Herzen und in unserer Seele. Sie werden ausgeleuchtet und somit zum Verschwinden gebracht.

Blickt man auf das fein sanierte Kloster Metten, sollte sich mehr regen, als die Erbauung an gepflegter Bausubstanz. In Kürze schauen 1.250 Jahre Glaubensgeschichte auf uns herab. Gott sendet seinen Geist aus, und das Antlitz der Erde wird neu.