Wallfahrt zum Ursprung

1250 Jahre Abtei Metten

Wallfahrt zum Ursprung

Mit einem Festgottesdienst
in Michaelsbuch, geweihtem Brot & einer neuen Chronik
beginnt das Jubiläumsjahr der Abtei Metten

Metten/Michaelsbuch.

Mit einer heiligen Messe zu Ehren des Seligen Gründerpfarrers Gamelbert am 17. Januar 2016 in Michaelsbuch hat das Jubiläumsjahr für die Abtei Metten begonnen.

Das Kloster Metten verdankt dem Seligen Gamelbert, Grundherr in Michaelsbuch, und dessen Patensohn Utto seine Gründung. Von Altenbuch aus hatte Gamelbert das Waldgebiet nördlich der Donau urbar gemacht, in dem im Jahr 766 das Kloster Metten entstand. Der ehemalige Einsiedler Utto wurde der erste Abt. Seit dem Jahr 1294 gehört die Pfarrei Michaelsbuch zum Kloster Metten. Der Erzengel Michael ist Namenspatron der Pfarrkirche St Michael; ihm wurde auch die Benediktinerabtei Metten geweiht.

Gastgeber Pater Michael zeigte sich hocherfreut über die zahlreichen Gäste, darunter viele „Alt-Mettener“, der bis auf den letzten Platz gefüllten Pfarrkirche. Die Fahnen der gesamten Seelsorgeeinheit, wie auch nahezu aller weltlichen Vereine aus der Region setzten einen feierlichen Rahmen. Von den Deckenfresken, wie auch vom Hochaltar, blickten die Klostergründer Utto und Gamelbert auf die Gemeinde herab; sie sahen an diesem Tag Kirche und Welt vereint.

Dem Gründungsvater Gamelbert ging es einst sicher nicht allein darum, ein Kloster fernab der Welt zu errichten. Stets war ihm an der Verzahnung mit der in jedem Menschen aufscheinenden Liebe gelegen. Wenn Gott und die Welt zusammengehören, dann gehören auch Klöster und die Welt zusammen. So versteht sich die Hoffnung des Pater Michael: „Möge Gottes Gnadenstrahl manches Herz erreichen, damit es den Weg zur klösterlichen Berufung finde.“

Den Festgottesdienst feierte Abt Wolfgang Hagl in Konzelebration mit dem Konvent. Es sei anläßlich des Jubiläums zunächst die Stunde der Dankbarkeit für die über viele Jahrhunderte währende Gottsuche in Metten, begann der Abt. Doch gebe es auch Anlaß zu ernsthafter Besorgnis, betrachte man die stark rückläufigen Zahlen der Mönche.

Bayern ohne Klöster?

„Was wäre Bayern ohne seine Klöster“, klagten viele, denen der Niedergang des Mönchstums nicht verborgen bleibe. Unsere Klöster sind Orte der Bildung, der caritativen Seelsorge, Kraftzentren abendländischer Wertschöpfung in geistlicher und kultureller Hinsicht. Was wäre Bayern ohne seine Klöster? Darüber möchte man nicht so gerne nachdenken. Und so erhob Abt Wolfgang die weitaus schwerwiegendere Frage, die zum eigentlichen Kern der Misere vordringt: „Was wäre Bayern mit seinen Klöstern ohne die Suche nach Gott? Da war es, das entscheidende Wort, das unterschiedslos jeden Einzelnen auffordert, den Blick auf seine Seele zu richten – „unsere Zeit hat ein Glaubensproblem, ja ganz einfach und generell ein Problem mit Gott.“

In die Dankbarkeit für 1.250 Jahre Gottsuche in Metten mischt sich also die Sorge um das Glaubensproblem, um das Hadern des oberflächlichen Zeitgeistes mit Gott. In der Pfarrkirche Michaelsbuch, am Ursprung der beiden Klostergründer, begegneten die Gläubigen, die in eher lockerem Verbund miteinander stehen, an diesem Abend auch der regelorientierten Mönchsgemeinschaft von Metten. Auch eine Mönchsgemeinschaft kennt den Zweifel. Der Zweifel gehört zum Glauben. Es kommt jedoch darauf an, den Zweifel an Gott mit der Kraft der Liebe zu Jesus Christus zu überwinden. Dies berührt den Kern der benediktinischen Regel.

Reicht es, wie Abt Wolfgang fragte, lapidar einen Satz in den Raum zu stellen, der etwa laute: „Wir schaffen das?“ Schaffen wir das mit unseren Klöstern? Und wenn ja, wie? In der Tat müßte man die Fragestellung auf das tiefer liegende Problem reduzieren: Schaffen wir es, „der Liebe zu Jesus Christus nichts vorzuziehen?“ Es wäre an der Zeit, den Mönch nicht als den Meister des Verzichts fehlzuinterpretieren, sondern als denjenigen, der gerade durch sein Nein-Sagen zu maßloser Freiheit erst wirklich frei wird.

Es bereite Unbehagen, fuhr Abt Wolfgang fort, wenn man auf die Werte schaue, für die unsere Zeit eintrete. Ein Beispiel dafür sei der erste Anschlag von Paris auf das Redaktionsbüro des Satire-Magazins Charlie Hebdo, ohne Zweifel ein in jeder Hinsicht verabscheuungswürdiges Verbrechen. Warum aber müsse man Mohammed durch verletzende Karikaturen die Würde nehmen und dadurch die Religionsfreiheit anderer mit Füßen treten?

„Wo bleibt der Aufschrei?“

Der westlichen Welt sei der Glaube abhandengekommen. Den Migranten nicht. Man könne vielleicht von den Migranten lernen. Den festen Glauben nämlich. Im Westen tue man das Gegenteil: „Wir zeigen die Krippe ohne Jesuskind, denn seine Anblick könnte Muslime verletzen.“ Schämen wir uns des Herrn? Ist es schon so weit gekommen, daß wir die göttliche Sendung der Liebe verleugnen, mit der Gott Mensch geworden ist?
Damals habe man eine Million empörter Menschen beobachten können, die für den Kampf um ihre Meinungsfreiheit auf die Straßen von Paris gingen. Auch die Bundeskanzlerin habe man dort gesehen. Als im Februar 2015 einundzwanzig koptische Christen in Libyen enthauptet wurden, habe sich die freie Welt damit begnügt, „diese Verbrechen zu verurteilen.“

Das war alles. Darüber hinaus herrschte und herrscht im neuen Zeitalter der Christenverfolgung Schweigen. Die freie Welt mißt mit zweierlei Maß. Wenn Schweigen Zustimmung bedeutet, heißt das, dass die freie Welt, die ihren Glauben verloren hat, den Hinrichtungen von Christen zumindest tatenlos zuschaut. Deshalb bleibt die Frage, die Abt Wolfgang erhob, rein rhetorisch: „Wo bleibt der Aufschrei?“ Das christlich–abendländische Fundament der europäischen Einheit ist bereits zerstört. „Und mit ihnen“, unternahm Abt Wolfgang einen Exkurs in die jüngere Geschichte, „die gemeinsam verankerten Vorstellungen von Hilfe, Solidarität und Nächstenliebe.“ Adenauer, de Gaulle, Schumann und De Gasperi hätten gewußt, daß „ein Europa ohne die alten Werte des Evangeliums“ undenkbar sei. So, wie Bayern ohne unsere Klöster undenkbar ist. Zur Wandlung von Brot und Wein auf dem Altar von Michaelsbuch senkten sich die bestickten Fahnen der weltlichen Vereine. In dieser Verneigung vor dem Herrn lag eine ungeheure Symbolkraft: Die Verbeugung vor dem Ewigen. Im Kleinen finden wir noch Vorbilder für das Große.

„Tut, was er uns sagt!“

Doch so vereint, wie am Abend des Gamelbertfestes in der Pfarrkirche zu Michaelsbuch sind Gott und die Welt längst nicht mehr. Ähnlich wie bei der Hochzeit von Kanaan, mahnte der Abt, sei der freien Welt in ihrer grenzenlosen Beliebigkeit „der Wein ausgegangen“. Treue, Liebe, Glück und Vertrauen schwänden dahin. Die selige Jungfrau Maria fülle die leeren Krüge des Lebens mit Wasser bis zum Rand. Doch wer vermag es noch, Jesus Christus alles hinzugeben, um in ihm das Leben zu finden, damit die Wandlung in Wein erlebbar wird? Wer folgt der Aufforderung Marias? Im Jubiläumsjahr der Klostergründung, so schloß Abt Wolfgang, möge das Wort der Seligen Jungfrau Maria die allgemeine Verworrenheit auflösen: „Tut, was er uns sagt.“

Damit dieses Wort in den Menschen aufgehe, segnete Abt Wolfgang die „Gamelbertbrote“. Die Brote symbolisierten Dreierlei: Wohltätigkeit für die Armen, das Brot aller Evangelien und den Leib Christi in der Eucharistie.

Nach dem Schlußsegen sang die Gemeinde ein Lied zu Ehren des heiligen Erzengels Michael, des „unüberwindlich starken Helden“: „Beschütz mit deinem Schild und Schwert – die Kirch, den Hirten und die Herd.“ Er wird der Macht der Liebe beistehen, der Erzengel Michael. Aber alleinlassen dürfen die Gläubigen ihn im Ringen um die Liebe nicht.

Gott und die Welt vereint

Im Pfarrheim Gamelberthaus stellte Pater Stephan Haering die erste Chronik der Benedik-tinerabtei Metten vor. Pater Michael Kaufmann habe „ein bisher einzigartiges Werk“ vorgelegt. Eine systematische, nach Jahrhunderten geordnete Aufarbeitung der Klostergeschichte, die das gesamte, in die wechselvolle Geschichte „von Bedrohung und Not, Blüte und Fruchtbarkeit“ eingebundene Leben der Mönche erfasse. Man kann von einem Standardwerk sprechen, besser vielleicht von der Chronik der Abtei Metten, eben „weil Vergleichbares fehlt“.

Lebendig werde die Chronik aber erst, so die Intention des Autors, wenn möglichst viele Leser darin blätterten, also durchdringen würden, was es bedeute, über die Höhen und Tiefen weltlichen Treibens hinweg, in treuer stabilitas Gott zu suchen. Man kann also sagen, daß die Chronik genau im rechten Moment präsentiert wurde, um unmittelbar nach dem Wort der Seligen Jungfrau Maria die Menschen ein weiteres Mal aufzufordern, im Blättern durch die Chronik der Abtei Metten das zu „tun, was Er uns sagt“. Die spannende Reise durch die treffend bebilderte Klostergeschichte wird erst durch den aufnahmebereiten Leser zu einer inneren Wallfahrt. So wandelt sich sein Gang durch die Klostergeschichte zu einer Entdeckung der Liebe im Herzen. Und wieder findet der Mensch Gott und die Welt vereint – die Chronik der Abtei Metten führt zu den Ursprüngen der Liebe zu Jesus Christus, die einst so mächtig war, daß sie für die Mönche von Metten zur Lebensform wurde. Wie mächtig ist diese Liebe heute?

Was wäre Bayern, was wäre das Abendland ohne unsere Klöster? Undenkbar? Oder doch bald Wirklichkeit? Was würde aus unserer Kultur, was aus dem einenden Geist der europäischen Idee, wenn die Liebe zu Gott unter dem Druck egozentrischer Beliebigkeit endgültig implodierte? Die Benediktinerabtei Metten ist eines der bayerischen Urklöster. Der Autor hat seine Chronik bewußt nicht zu Ende geschrieben, um sie für die Fortschrei-bung kommender Jahrhunderte wahrhafter Gottsuche offenzulassen.

Die abendliche Komplet bildete den geistlichen Abschluß der gelungenen Wallfahrt der klaren Worte nach Michaelsbuch. Die Mönche der Abtei Metten sangen die Psalmen in lateinischer Sprache. Eine Tradition, die so weit zurückreicht, bewegt die Herzen immer noch am tiefsten.

Peter Altmannsperger